3. Klinische Psychologie: Krankheits- und Störungsmodell

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Bachelor Klinische Psychologie Flashcards on 3. Klinische Psychologie: Krankheits- und Störungsmodell, created by arne.doebler on 20/01/2016.
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(4) unterschiedliche Definitionen von "Gesundheit" 1. Traditionelle Definition: Abwesenheit von Kranheit (Fehlen abweichender biologischer Körperstrukturen und -prozesse) 2. Soziologische Definition: Zustand optimaler Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der gesellschaftlichen Rollen und Aufgaben (Parsons, 1967) 3. Psychologische Definition: Muster jener psychischen Eigenschaften (relativ stabile Kennzechen des Verhaltens und Erlebens), die die Vulnerabilität für psychische Störungen verringern (Becker, 1982) 4. WHO-Definition: Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens
(7) Definitionsmerkmale von "Gesundheit" (Franke, 1993) 1. Störungsfreiheit 2. Leistungsfähigkeit 3. Rollenerfüllung 4. Homöostase 5. Flexibilität 6. Anpassungsfähigkeit 7. Wohlbefinden
Empirisch ermittelte körperliche Faktoren für ein gesundes Leben 1. genetische Faktoren 2. gesunde Nahrung: Obst, Gemüse, Milch, Kartoffeln, Hülsenfrüchte etc. 3. gesunde natürliche Umwelt: Luft, Wasser, Boden, Licht etc. 4. gesicherte geschaffene Umwelt: Kleidung, Unterkunft, Wärme, Schutz vor Gefahren 5. ausreichende körperliche Betätigung (Sport, Spiel, Arbeit), aber keine extremen Überanstrengungen 6. genug Schlaf, Zeiten der Ruhe und Erholung, keine Hetze 7. Entspannung und emotionale Ausgeglichenheit (s. auch unten) 8. erfüllte Sexualität mit sich oder einem/mehreren anderen Menschen, oder deren gelungene Sublimination 9. intakte soziale Beziehungen bspw. Freundeskreis, gute Beziehungen zu Arbeitskollegen 10. der Gesundheit förderliche Arbeitsbedingungen, keine dauernde Über- oder Unterforderung
Empirisch emittelte seelisch-geistige Faktoren für ein gesundes Leben 1. geliebt sein und selbst lieben können: Lebenspartner, Kinder, Familie, Mitmenschen Freundlichkeit, Kontaktfähigkeit, soziale Kompetenz 2. sich wertvoll empfinden; Selbstachtung, Selbstvertrauen Erfolg und Anerkennung: Bestätigung, Arbeitsklima, Kritik und Lob (Feedback) 3. Sicherheit: Gefühl der Geborgenheit, Religion bzw. Lebenssinn mindest-Sicherheit, die Nahrung, die Kleidung, das Wohnen betreffend Sicherheit der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse aber: gewisse Spannung notwendig, sonst versinken in Lethargie 4. Freiheit: Gestaltungsmöglichkeiten, auch für das eigene Leben; lohnende Ziele Möglichkeit zur Artikulation, Gedankenfreiheit, Redefreiheit Berufs- und Partnerwahl Kreativität: schöpferische Betätigung und Spiel 5. Verbundenheit zum Partner, zu Freunden und/oder anderen Konfliktfähigkeit und Bereitschaft zur Versöhnung Erlebnisse mit Erinnerungswert
klassisches medizinisches Krankheitsmodell: Krankheit (disease, illness) Einheiten mit spezifischen Symptom- und Verlaufsmustern und dazugehörigen biologischen Prozessen (inklusive biologischer Ursache), wie sie nur bei einigen gestörten psychischen Phänomenen vorkommen
klassisches medizinisches Krankheitsmodell: Störung (disorder) bei gestörten psychischen Phänomenen solche Zusammenhänge wie bei "Krankheit" strittig meist andere Konzepte sinnvoll => offenerer Begriff der "psychischen Störung" verwendet
Wofür wurde das allgemeine Krankheitsmodell ("Defektmodell") ursprünglich entwickelt? für Infektionskrankheiten => auf alle Krankheiten verallgemeinert
Warum sprechen wir von psychischen Störungen nicht von psychischen Krankheiten? weil das medizinische Krankheitsmodell psychischen Störungen in der Regel nicht adäquat/angemessen ist
traditionellens medizinisches Krankheitsmodell: (4) Prämissen 1. Alle beobachtbaren Symptome, Beschwerden, Abweichungen (körperliche Funktionen) und Verhaltensauffäligkeiten sind auf zugrundeliegende primäre Störung (= spezifizierbarer Defekt) zurückführen 2. Defekt ist in der Person gelegen und bildet eigentliche Krankheit (nicht die Symptomatik selbst!) 3. Defekt ist zurückzuführen auf eine oder mehrere eindeutig spezifizierbare Ursachen 4. Defekt bzw. Ursachen sind körperlicher Art
(4) Dimensionen des allgemeinen medizinischen Krankheitskonzeptes 1. Krankheitsursache: biologische, psychologische, soziologische Ursachen 2. Krankheit: pathologische Veränderungen (Defekt in der Person) 3. Kranksein: Beschwerden, Symptome, Befunde 4. Krankheitsfolgen Krankenrolle, Einschränkung normalen Rollenverhaltens
Probleme bei der Übertragung des traditionellen medizinischen Modells auf die Pychotherapie 1. Kranksein ist statistisch "normal"! (nicht gesund sein) 2. keine eindeutigen natürlichen Grenzen zwischen "gesund" und "krank"! 3. (psychische) Defekte und Substrate lassen sich nicht so eindeutig identifizieren 4. gerade bei psychischen Störungen spielt gesellschaftliche Definition von "Normalität" und "Abweichungen" wichtige Rolle 5. Entstehung und Verlauf psychischer Störungen sind viel komplizierter => multifaktoriell statt (mono-) kausal
(4) Dimensionen psychischer Störungen (gemeinsame Dimensionen verschiedener Definition für gestörtes Erleben und Verhalten) 1. Devianz: (= abweichendes Verhalten) Gestörtes Erleben- & Verhaltensmuster sind in bestimmtem Kontext deviant bzw. abweichend => anders 2. Leidensdruck: gestörte Erlebens- & Verhaltensmuster belasten jeweilige Person oder sind ihr unangenehm => setzen sie unter Leidensdruck 3. Beeinträchtigung: gestörte Erlebens- & Verhaltensmuster beeinträchtigen jeweilige Person oder sind so störend/dysfunktional, dass sie alltägliche Handlungen nicht mehr konstruktiv verrichten kan 4. Gefährdung ... sich und anderen Personen möglicherweise sogar gefährdet
(6) differenzielle Konzepte der Störung psychischer Funktionen (Schulte, 1990) Psychische Störungen als: 1. Symptomatik körperlicher Krankheiten: Verhaltensauffälligkeiten gehen zurück auf körperliche Beschwerden und Beeinträchtigungen (ohne Beeinträchtigung des Nervensystems) 2. Neurologische Erkankungen: direkte (körperliche) Erkrankung des Nervensystems 3. Krisenreaktionen: Überbelastung durch Stress, Überforderung oder Umweltbelastung => Vorübergehende Reaktion eines an sich funktionierenden Systems 4. Psychische Krankheiten ("Psychosen"): qualitativ abweichende Funktionen der Informationsverarbeitung oder Verhaltenssteuerung z.B. aufgrund angeborener oder früh im Sozialisationsprozess erworbener "Programmfehler" => Defektmodell 5. Verhaltensstörungen: ungünstige Lernprozesse, Störung der Person-Umwelt-Interaktion 6. abweichendes Verhalten im engeren Sinne: inklusive verhaltenssteuernde Umwelt => selber unangepasst, ineffizient oder gestört
(3) Schwierigkeiten bei der Definition psychischer Störungen Hauptproblem: Begriff "Störung" selbst relativ 1. nur in Abhängigkeit der jeweiligen Normen und Werte einer Gesellschaft bzw. eines bestimmten Kulturkreises definier- und interpretierbar 2. nur auf Grundlage der jeweils spezifischen individuellen (Lebens-) Bedingungen kann im Einzellfall beurteilt werden, was als "normal" bzw. "gestört" zu betrachten ist 3. Einstufung als "gestört" von interessegebundener institutioneller Perspektive abhängig (Patient, Therapeut, Krankenkasse, Arbeitgeber) ergo: Begriffe wie "gestörtes Erleben und Verhalten" schwer zu fassen, da eng mit relativen Wertmaßstäben verquickt
Wie viel % der Bevölkerung sind dem bundesweiten Gesundheitssurveys 1998 zufolge körperlich und psychisch gesund? (ohne Diagnose) 23,4%
Fünf unterschiedliche Normbegriffe (Was ist "normal"?) 1. Statistische Norm: definiert nach statistischen Durchschnittswerten abnorm = ungewöhnlich 2. Idealnorm: als universell gültige und philosophisch weltanschaulich begründete "Zustände von Vollkommenheit" abnorm = minderwertig 3. Funktionale Norm: definiert als Funktionsfähigkeit (vs. Dysfunktion) bemessen an erwünschter/erwarteter Leistungsfähigkeit abnorm = schwach 4. Sozialnorm: gesellschaftlich definierte Verhaltensstandards abnorm = regelwidrig Subjektive Norm: Individueller Ausgangszustand als Maßstab für Veränderungen Abnorm = verändert
dimensionaler Charakter psychischer Störungen nicht nur für die meisten körperlichen Erkrankungen (Hypertonus, Diabetes, Stoffwechsel), sondern auch für psychische Störungen keine eindeutigen Trennpunkte ("cut-offs"), die "gesund" und "krank" unterscheiden (kategoriale Ordnung) aber Nr. 1: dimensionale Konstrukte lassen sich durchaus sinnvoll und statistisch begründet in kategoriale Modelle überführen! aber Nr.2: für Definition von Störungen zumeist Konventionen und Zusatzannahmen notwendig => Diagnostik und Klassifikationssysteme
Alternative Krankheits- und Gesundheitsmodelle: Soziologische Störungskonzepte ("Labeling approach") "Antipsychiatrie": Ursachen psychischer Störungen liegen nicht im Individuum, sondern im familiären und sozialen System => letzlich in der Gesellschaft => Zentraler "Defekt" = gesellschaftliche Verhältnisse (nicht individuelle Defizite!) Ansatz empirisch so nicht zu bestätigen => Heute nur noch für wenige Störungen (Persönlichkeitsstörungen) und von wenigen Vertretern verfolgt (z.B. systemische Ansätze)
Alternative Krankheits- und Gesundheitsmodelle: Humanistische Störungskonzepte Psychische Störungen sind "Wachstums-" bzw. "Reifungsstörungen": die Umwelt hindert Menschen daran, bestimmte Bedürfnisse zu berfriedigen und Affekte auszuleben => resultierende "unabgeschlossene Gestalten" führen zu fortschreitender Entfremdung! Position in der Gestalttherapie und bioenergetischen Therapie, teilweise auch in der Gesprächstherapie nach wie vor präferiert
Alternative Krankheits- und Gesundheitsmodelle: Psychologische Störungskonzepte entscheidender Unterschied zur traditionell eher kategorialen Psychopathologie ist die Annahme der Kontinuität von normal zu abnormal (Abnormal Psychology) => Psychische Störungen lediglich Hemmungen oder Steigerungen normaler psychischer Prozesse allgemein akzeptierte aktuelle Position der wissenschaftlichen Klinischen Psychologie und empirischen Erforschung psychischer Störungen (bspw. Lernpsychologie, Verhaltenstherapie, kognitive Ansätze) => Synthese mit kategorialen Modellen
Alternative Krankheits- und Gesundheitsmodelle: Biopsychosoziales Ätiologiemodell (Aktuelles Alternativkonzept:) moderne biopsychosoziale Erklärungsansätze: psychische Störungen als multifaktorielles Geschehen, das durch Zusammenspiel verschiedener pathogenetischer und protektiver Einflüsse bzw. durch summative Wirkung mehrerer jeweils nicht-pathologischer Faktoren (bspw. Alltagsstress, dysfunktionaler Copingstil etc.) verursacht werden kann
Biopsychosoziales Erklärungsmodell Krankheitsentstehung immer durch multidimensionale Interaktion ... 1. biologischer Faktoren 2. psychologischer Faktoren 3. sozialer Faktoren 4. ökologischer Faktoren Krankheit/Gesundheit = Resultat des Zusammenwirkens von krankmachenden (pathogenen) und gesundheitsfördernden (protektiven) Faktoren
traditionelle Definition von Gesundheit Abwesenheit von Krankheit (Fehlen abweichender biologischer Körperstrukturen und -prozesse)
soziologische Definition von Gesundheit (Parsons, 1967) Zustand optimaler Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der gesellschaftlichen Rollen und Aufgaben
psychologische Definition von Gesundheit (Becker, 1982) Muster jener psychischen Eigenschaften (relativ stabile Kennzeichen des Verhaltens und Erlebens), die die Vulnerabilität für psychische Störungen verringern
WHO-Definition von Gesundheit (World Health Organization) Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens
Wie viel % der Bevölkerung sind dem bundesweiten Gesundheitssurveys 1998 zufolge psychisch krank (Diagnose) und körperlich gesund? 12%
Wie viel % der Bevölkerung sind dem bundesweiten Gesundheitssurveys 1998 zufolge psychisch und körperlich krank? (mit Diagnose) 28,3%
Wie viel % der Bevölkerung sind dem bundesweiten Gesundheitssurveys 1998 zufolge psychisch gesund (ohne Diagnose) und körperlich krank? 36,4%
Normbegriffe: Statistische Norm definiert nach statistischen Durchschnittswerten abnorm = ungewöhnlich
Normbegriffe: Idealnorm als universell gültige und philosophisch weltanschaulich begründete "Zustände von Vollkommenheit" abnorm = minderwertig
Normbegriffe: Funktionale Norm definiert als Funktionsfähigkeit (vs. Dysfunktion) bemessen an erwünschter/erwarteter Leistungsfähigkeit abnorm = schwach
Normbegriffe: Sozialnorm: gesellschaftlich definierte Verhaltensstandards abnorm = regelwidrig
Alternative Krankheits- und Gesundheitsmodelle 1. Soziologische Störungskonzepte ("Labeling approach") 2. Humanistische Störungskonzepte 3. Psychologische Störungskonzepte 4. Biopsychosoziales Ätiologiemodell (aktuelles Alternativkonzept)
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