Risiko & Gesellschaft

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Quellen: U. Beck, O. Renn, N. Luhmann,...
Claudia Loksik
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Claudia Loksik
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Question Answer
Worauf ist die Neuartigkeit des Themas „Risiko“ zurückzuführen? 1) Bedrohungen, die früher als unbeeinflussbare Gefahr wahrgenommen wurden, werden zunehmend als steuerbare Risiken erkannt. Kausale Wirkungsketten zum Schadenseintritt werden zunehmend erkannt. 2) Durch den technologischen Fortschritt in Technik, Medizin und Hygiene hat sich der Anteil naturgegebener Gefahren reduziert und der Anteil zivilisatorischer Risiken erhöht. 3) Die Evolution der Technik hat zur Folge, dass Katastrophen einerseits einer geringeren Eintrittswahrscheinlichkeit unterliegen aber gleichzeitig ein höheres Schadensausmaß haben. 4) Individueller Grenznutzen materieller Güter ist aufgrund des Wohlstands der Gesellschaft gegenüber dem Grenznutzen von allgemeiner Gesundheit, sauberer Umwelt und psychischem Wohlbefinden gesunken.
Differenziere Gefahr und Risiko Maßgeblich ist der Grad der wahrgenommenen Steuerungsfähigkeit: Das Risiko erscheint durch eigenes Handeln oder Handeln anderer Personen steuerbar. Das Risiko kann auch positiv sein => Chance. Die Gefahr hingegen kommt von außen und ist nicht beeinflussbar, zudem erfolgt nur eine negative Betrachtung.
Erkläre: „Risks are created and selected by human actors” => Konstruktivistische Sichtweise von Risiken. (Konstruktivismus = die Wahrnehmung der Menschen als aktiven Konstruktionsprozess. Sie nehmen also nicht die objektive Wirklichkeit wahr, sondern erschaffen sich aus dieser ihre eigene Realität.) => Risiken entstehen wie andere sinnbezogene Konzepte durch Erfahrungswissen im Alltagshandeln. => Risiken sind mentale Konstrukte, also Produkte des menschlichen Geistes.
Was sind die konstitutiven Merkmale eines Risikos? • Die Unsicherheit des Eintretens: dh. die Eintrittswahrscheinlichkeit • Die zu erwartenden Konsequenzen eines Ereignisses: dh. das Schadensausmaß
Was sind systemische Risiken? Gem. der Definition der OECD sind unter systemischen Risiken solche Risiken zu verstehen, deren Schadensauswirkungen von einem Bereich in andere Bereiche hineinwirken, zB. ein gesundheitliches Risiko wird in weiterer Folge zu einem wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Risiko (wie beim Schadenseintritt der Covid-19 Pandemie). Beim hineinwirken in andere Bereiche, kann sich die Beeinträchtigung verstärken.
Welche Konzepte sind beim Risikobegriff zu berücksichtigen? • Ein normatives Konzept: gesellschaftliche/politische/wirtschaftliche/soziale Definition von Risikoakzeptanz und Gerechtigkeit, Gewichtung der Bedeutung von Schäden (zB. physisch, psychisch, monetär) • Ein analytisches Konzept: Modellierung von Berechnungsmodellen zu Wahrscheinlichkeiten und Auswirkungen
Beschreibe die technische Risikoanalyse Die technische Risikoanalyse basiert auf den Berechnungen von Eintrittswahrscheinlichkeiten und auf der möglichst objektiven Definition und Skalierung von möglichen Auswirkungen. Fachdisziplinen sind Statistik/Mathematik, Technik.
Was ist der wesentliche Hauptanwendungsbereich der technischen Risikoanlyse? In der vorindustriellen Gesellschaft war der Fokus auf Sachschäden. Seit der Moderne: Gesundheit, Umwelt, Sicherheit
Welche Methoden werden bei technischen Risikoanalysen unterschieden? •-) Extrapolation von Erfahrungswerten in die Zukunft -) Modellierung von Wahrscheinlichkeiten und Ausmaßen durch Experimente -) Synthetisierung von Wahrscheinlichkeiten durch systematische Verknüpfungen von Ausfallswahrscheinlichkeiten von Einzelkomponenten (zB. Ereignis- oder Fehlerbaumanalyse)
Was sind die Grenzen der techn. Risikoanalyse? • Sagt nichts über Risikoakzeptanz aus • Strategische Überlegungen zu Restrisiken werden außer Acht gelassen
Kritikpunkte der techn. Risikoanalyse • Scheinbare Objektivität bei Definitionen und Beurteilungen, welche auf subjektiven Erfahrungswerten beruht • Ermessensspielraum bei Einstufung der EW und SA • Beurteilung des Risikos ist durch methodische und systematische Berechnung eingeschränkt • Fehlerpotential durch Annahme falscher Referenzgrößen, falscher Berechnungsmethodik • Durch die Multiplikation von EW mit SA entsteht eine Mittelung des Ergebnisses • Berechnungen lassen individuelle Verhaltensweisen außer Berücksichtigung (zB. Anzahl von Krebserkrankungen in Europa durch Tschernobyl wurden viel höher berechnet) • Berechnungsergebnisse können das Verhalten beeinflussen und verstärken (zB. dramatisierende Wirkungen vs. Relativierende Wirkungen)
Beschreibe die sozialwissenschaftliche Perspektive von Risiko Die sozialwissenschaftliche Perspektive von Risiko berücksichtigt ergänzend zur technischen Risikoanalyse folgendes: • gesellschaftliche Wert- und Interessensverletzungen => ermöglicht somit eine pluralistische (=vielfältigere) Definition des Risikos • Individuelle Erfahrungswerte werden bei der Festlegung Erfahrungswerten anerkannt • Bei der Risikosteuerung werden auch soziale, kulturelle, politische Einflussgrößen berücksichtigt • Berücksichtigung von Fairness
Erkläre die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive von Risiko Im Gegensatz zur technischen Risikoperspektive wird nicht der statistische Erwartungswert, sondern der Erwartungsnutzen ermittelt => potentieller Schaden = entgangener Nutzen
Erkläre die psychologische Perspektive von Risiko Die psychologische Risikoperspektive basiert auf der Annahme, dass Individuen dazu neigen Risiken aufgrund ihre eigenen Heurismen (=Problemfindungsverfahren), kürzlich erfahrenen Ereignisse sowie individueller situativen Beurteilungskriterien für die Beurteilung von Risiken heranzuziehen => daraus ergibt sich eine sehr subjektive und komplexe Risikowahrnehmung
Beschreibe die soziologische (sozialwissenschaftliche) Perspektiven von Risiko Man unterscheidet acht sozialwissenschaftliche Ansätze, die sowohl realistische wie auch konstruktivistische Perspektiven enthalten.
Nenne die acht sozialwissenschaftlichen Risikoansätze 1. Rational Choice-Theorien 2. Verteilungstheorien 3. Soziale Mobilisierungstheorien 4. Organisationssoziologischer Ansatz 5. Theorien der reflexiven Moderne 6. Neomarxistische Theorie & Kritische Theorie 7. Systemtheorie (Bielefelder Schule) 8. Postmoderne Konstruktion der Wirklichkeit
Beschreibe die Rational Choice Theorie Wird auch Ansatz der individuellen Interessenmaximierung genannt. Nach diesem Rationalitätsprinzip versucht jedes Individuum seinen Nutzen zu maximieren. Risiken werden für das Erreichen der nutzenmaximierenden Ziele in Kauf genommen und sind somit die „Kosten“, die zur Zielerreichung erforderlich sind.
Nenne das Merkmal der Verteilungstheorien Geht auf die Ungleichverteilung von Risiko und Nutzen ein. => ist noch im rationalen Risikobereich
Beschreibe die soziale Mobilisierungstheorie und nenne ein Beispiel Welche Risiken mobilisieren/motivieren Individuen dazu sich politisch zu engagieren? Und was sind die strukturellen Erfordernisse für politischen Erfolg der sozialen Bewegungen? Bsp.: Impfbefürworter vs. Impfgegner => neue politische Partei (Risikowahrnehmung der Freiheitsberaubung durch gesundheitspol. Maßnahmen)
Beschreibe den organisationssoziologischen Ansatz Dieser Ansatz konzentriert sich auf Risiken aufgrund technischer Probleme in Systemen (siehe auch: Perrow), dh. auf die Wahrscheinlichkeit von Systemversagen. Dabei werden vor allem Großsysteme mit katastrophalen Auswirkungen auf Leben, Gesundheit, Umwelt und Einkommen betrachtet. Es wird auch unterstellt, dass die Systeme überschätzt werden und somit die Eintrittswahrscheinlichkeit von Systemversagen unterschätzt wird. Der Eintritt von Systemversagen wird von den Verantwortlichen häufig als „menschliches Versagen“ erklärt. Perrow hingegen vertritt die Auffassung, dass die Systeme nicht an menschliche Handlungsweisen und Leistungsfähigkeit angepasst werden. Durch diese Rechtfertigung unterstellt Perrow eine negative Lernfunktion. Dieser These wird durch empirische Studien bei HRO (high reliability organizations) widersprochen. Diese Studien belegen, dass die HRO systemverursachte Störfälle reduzieren konnten.
Beschreibe die Theorie der reflexiven Moderne Moderne Technologien erschaffen Risiken, die alle bedrohen - auch diejenigen, die die Risiken hervorgerufen haben = Egalisierung („Gleichberechtigung“) Merkmale: Entgrenzung, Globalisierung, Risiken dringen in die Arbeits- und Lebensumwelt der Individuen ein, Anonymisierung der Risikoerzeuger und Risikoerleider
Beschreibe die Risikotheorie der Systemtheorie (Bielefelder Schule, Luhmann) Risiken sind Produkte sozialer Systeme und werden somit erst bewusst, wenn über Ursachen/Wirkungen kommuniziert wird
Beschreibe den neomarxistischen Risikoansatz bzw. die Kritische Theorie => glaubt an eine übergreifende Rationalität von Wissen, Moral und Ästhetik ; diese Rationalität entsteht aus einem gleichberechtigten Diskurs zwischen Nutznießern und Leidtragenden von Risiken
Wie lässt sich Risikowahrnehmung klassifizieren? -) Risiko als unmittelbare Bedrohung: Störfälle/Systemausfälle -) Risiko als Schicksalsschlag: Naturkatastrophen -) Risiko als Herausforderung der eigenen Kräfte: Freizeitunfälle -) Risiko als Glücksspiel -) Risiko als Frühwarnsignal für schleichende Gefahren: Umweltverschmutzung
Nenne psychologische Faktoren, die die Risikowahrnehmung- und beurteilung beeinflussen -) Freiwillige Risiken werden eher akzeptiert als unfreiwillige Risiken (Rauchen u. Risikosportarten vs. Kernkraftwerk) -) Kontrollierbare Risiken werden geringer eingestuft als unkontrollierbare (Autofahren vs. Fliegen) -) Neue Technologien werden als risikoreicher eingestuft als erprobte Technologien -) Risiken, deren Schäden mit Verzögerung eintreten werden eher akzeptiert (Rauchen, Alkohol vs. Straßenverkehr) -) Risiken, die potenziell reversibel sind, werden eher akzeptiert
Was sind formelle Verfahren zur Risikoabwägung und wozu dienen sie? => Sind eine normative Festlegung, ob Risiken als akzeptabel eingestuft werden können. Sie dienen als Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung a) Risiko-Risiko-Vergleiche: bereits von der Gesellschaft als akzeptabel eingestufte Risiken dienen als Referenzgrößen b) Kosten-Nutzen-Vergleiche: Nutzen der Risikoreduktion in Relation zu Kosten der Maßnahme c) Entscheidungsanalyse: Ist die subjektive Bewertung der zu erwartenden Handlungsfolgen. Gesamtnutzen ist die Summe der gewichteten Einzelnutzen.
Beschreibe das Ampelmodell zur Risikobewertung der WBGU -) Normalbereich: grün -) Grenzbereich: gelb -) nicht akzeptabler Bereich: rot y-Achse: Eintrittswahrscheinlichkeit x-Achse: Schadensausmaß
Welche Kriterien gibt es gemäß der WBGU noch (zusätzlich zu Eintrittswahrscheinlichkeit u. Schadensausmaß)? 1) Grad der verbleibenden Unsicherheit 2) Ubiquität: geografische Reichweite pot. Schäden 3) Persistenz: zeitliche Ausdehnung pot. Schäden 4) Reversibilität: Umkehrbarkeit der Schäden 5) Verzögerungswirkung: Zeit zwischen Ereignis und Schadenseintritt 6) Mobilisierungspotenzial
Welche Risikoklassifikationen gibt es gem. der WBGU?
Nenne Handlungsstrategien für die Risikoklassifikationen der WBGU
Nenne die Merkmale von systemischen Risiken -) Entgrenzung in Zeit, Raum, Schadenskategorie -) hohes Maß an Komplexität -) hohes Maß an Unsicherheit -) hohes Maß an Ambiguität (Mehr/Doppeldeutigkeit)
Nenne Strategien zum Umgang mit Risiken -) Risikobasierte Strategie zum Umgang mit komplexen Wirkungen -) Resilienz-orientierte Strategien zum Umgang mit Sicherheit -) diskursive Strategien zur Aufklärung und Vertrauensbildung
Beschreibe die risikobasierte Strategie zum Umgang mit komplexen Wirkungen Kombination einer möglichst genauen Risikoabschätzung nach den klassischen Formen der Kombination von Wahrscheinlichkeit und Ausmaß sowie dem Einsatz abwägender Verfahren, wie der Kosten-Nutzen-Analyse oder Risiko-Risiko-Vergleich. Für einfache und komplexe Risiken geeignet, die keine hohe Ausprägung auf den Komponenten der Ungewissheit und Ambiguität aufweisen --> hierbei reicht die konventionelle Form der Abschätzung und Abwägung, um die Risiken in eine der drei Felder des Ampelmodells einzuordnen.
Beschreibe die Resilienz-orientierte Strategie zum Umgang mit Sicherheit Bezieht sich auf Risiken, die komplex sind und gleichzeitig ein hohes Maß an nicht auflösbarer Unsicherheit aufweisen, zB. Pythia u. Büchse d. Pandora. Unsicherheit kann hierbei ein hoher Anteil an zufälligen Variationen sein (dadurch breite Konfidenzintervalle) oder Nicht-Wissen über kausale Beziehungen --> das Risikomanagement muss hierbei vorsichtig und vorsorgend agieren. Resilienz-orientierte Strategien sollen also die Widerstandskraft und Robustheit gegenüber Überraschungen stärken.
Beschreibe diskursive Strategien zur Aufklärung und Vertrauensbildung Eignet sich für Risiken mit hoher Ausprägung auf der Variablen der Ambiguität. Bsp: Kassandra und Medusa - entweder wird das Potenzial weitreichender Schäden auf Grund des Verzögerungseffekts ignoriert oder relativ harmlose Effekte werden als Bedrohung wahrgenommen. Das Gefahrenpotential basiert hier häufig auf der subjektiven Wahrnehmung von Betroffenen, die zu Stress, Besorgnis, Angst und manchmal sogar zu psychsomatischen Störungen führen kann. In beiden Fällen geht es um eine Frage der Interpretation und um die normative Bewertung der Konsequenzen. Es bedarf Strategien der Bewusstseins- und Vertrauensbildung und die Initiierung kollektiver Anstrengungen zur Errichtung von Institutionen, die in der Lage sind, mit Problemen, die langfristige Verantwortung erfordern, umzugehen.
Nenne risikoethische Entscheidungstheorien 1. Bayesianische Entscheidungstheorie: die Bayes Regel ist eine Entscheidungsregel für Entscheidungen bei Risiko, wobei die Alternative ausgewählt wird, welche den höchsten Erwartungswert besitzt. (Satz von Bayes) 2. Maximin-Prinzip: für sehr risikoscheue Entscheidungsträger geeignet, da sie die Handlungsalternative empfiehlt, welche selbst im schlechtesten Fall das beste Ergebnis liefert 3. Precautionary Principle (Vorsorgeprinzip): danach sollen die denkbaren Belastungen bzw. Schäden für die Umwelt bzw. die menschliche Gesundheit im Voraus
Erkläre folgende zwei Fragen im Hinblick auf die Risikobewertung: 1. "How safe is safe enough?" 2. "How fair is safe enough?" Die beiden Fragen repräsentieren gegensätzliche Herangehensweisen zur Risikobewertung. Die Frage 1 ist ergebnisorientiert und bezieht sich auf die techn. u. ökonomische Risikobewertung. Bei der Frage 2 ist hingegen der Weg zur Entscheidungsfindung im Rahmen der sozialwissenschaftl. Risikobewertung, unter Beachtung von Fairness (Risikoerleider) im Fokus.
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