Ein Nachruf unter Lebenden – das Wissen vor dem Tod

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ines-tetzlaff
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Es mag ein wenig unpassend erscheinen, in einem Artikel über die Positive Psychologie vom Tod zu schreiben. Aber es hat einen guten Grund. Einen positiven Grund. Wenn ich an den Tod denke, bekomme ich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Ich kann nicht begreifen, wie das sein wird und beneide all jene, die diesen Gedanken, dieses Gefühl nicht (mehr) haben. Ein mir lieber Arbeitskollege fragte mich einmal, ob ich mich an die Zeit vor meiner Geburt erinnern könne. „Nicht? Genau so wird es sein, wenn du tot bist“, sagte er. Er wuchs bei seinen Großeltern auf, die bereits ein gesundes Verhältnis zum Sterben aufgebaut zu haben schienen und ihm in jungen Jahren wertvolle Weisheiten mitgeben konnten. Ob Menschen Angst vor dem Tod haben, weil sie das Leben lieben oder aus der Unsicherheit heraus, wie oder ob es weiter geht, ist ein anderes Thema. Zwei positive Fragen entstehen unabhängig davon aus der Vorstellung an den eigenen Tod: Wie möchte ich meinen Freunden, Bekannten und meiner Familie in Erinnerung bleiben? Was möchte ich nicht bereuen, wenn ich auf meinem Sterbebett liege? Nicht jeder, der stirbt, hat auch wirklich gelebt Im Tod beginnt das Leben.–Sigrun Hopfensperger Der Gedanke an das Endliche, die begrenzte Zeit, ist Teil jedes guten Zeitmanagementbuches. Doch weder können wir die Zeit managen, noch bestimmen, wann unsere Stunde schlägt. Wir können aber eines: unsere Lebenszeit best möglich nutzen. Doch wofür? Was heißt best möglich? Was oder wer wollen wir werden? Wie, womit und vor allem: mit wem möchten wir unsere Zeit nutzen? Und wie möchten wir denen, die Lebensabschnitte mit uns verbrachten, in Erinnerung bleiben, wenn alles vorbei ist? Eine wunderbare Übung, die sich als extrem wertvoll herausgestellt hat, ist der Nachruf. Als ich als Kind das erste Mal mit dem Wort in Berührung kam, stelle ich mir einen alten Mann mit schwingendem Gehstock vor, der einem anderen wüste Worte nachruft, bis dieser außer Reichweite ist und der Alte schwer atmend an einer Laterne Halt findet. Und Ruhe gibt. Ich meine einen anderen Nachruf. Auch, wenn die Vorstellung des zur Ruhe kommenden Alten eine Parallele mit dem Tod aufweist. Nachrufe sind im allgemeinen besser als das, was einem nachgesagt wird Das Zitat von Erhard Blanck beschreibt, wie viele Nachrufe aussehen: sanft, vergebend und wohlwollender, als Bekannte noch vor der Todesnachricht über die Person nachgedacht hatten. Was wäre jedoch, wenn Sie auf dem Sterbebett lägen, Stift und Papier zur Hand, Ihren Nachruf schreibend, und jedes der geschriebenen Worte nur Wahrheiten enthielte? Was, wenn jeder, der diesen Nachruf vorgelesen bekäme, nur nochzustimmend nicken könnte? Im Folgenden sind drei Varianten dieser Übung zum Aufbau des Wohlbefindens aufgelistet. Wählen Sie je nach Vorliebe aus, welche Sie gerne ausprobieren möchten. 1. das Jubiläum Bitte suchen Sie sich zur Ausführung der nächsten Übung einen ruhigen, ungestörten Platz. Richten Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit auf die folgenden Worte und lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf. Wenn Ihnen Tod, Ableben und Nachrufe generell zuwider sind (was ich gut verstehen kann), fangen Sie mit der Variante „Jubiläum“ an, die etwas „milder“ gestaltet ist. Materialien: Stift und Papier oder Computer Dauer: ca. 30-45 Minuten Durchführung: Setzen Sie sich an einen ruhigen Platz und halten Sie fest, was Ihnen wichtig ist. Was soll aufgeschrieben und in einer solchen Rede gesagt werden? Überlegen Sie sich, was Sie zu Ihrem runden Geburtstag von Freunden, Verwandten oder Bekannten über sich gesagt hören möchten. 2. Die Grabreden – drei Menschen, die Ihnen wichtig sind Kraftvoller und mächtiger ist die zweite Variante. Auch hierfür suchen Sie sich bitte einen ruhigen Platz und nehmen sich ungestörte Zeit zum Nachdenken. Vor Ihrem inneren Auge sehen Sie eine Friedhofskappelle. Sie und viele andere schwarz gekleidete Menschen gehen auf die Beerdigung eines geliebten Menschen. Sie treten in das Gebäude ein, vernehmen sanfte Orgelmusik und sehen den Raum mit vielen Blumen und Kerzen geschmückt. Sie sehen die Gesichter von Ihnen bekannten Freunden und Angehörigen und sehen in allen Augen die selbe teilnahmsvolle Trauer. Aber in den Augen ist auch die Freude, diesen Menschen gekannt zu haben. Sie treten am anderen Ende der Kapelle an den Sarg, der dort aufgebaut und dessen oberes Stück noch aufgeklappt ist. Sie beugen sich hinüber, um einen letzten Blick auf den Verstorbenen zu werfen und sehen… sich selbst dort liegen. Es ist Ihre eigene Beerdigung und die Menschen, die um Sie herum versammelt sind, wollen Ihnen die letzte Ehre erweisen und Ihnen Dankbarkeit, Liebe und Respekt aussprechen. Sie setzen sich in eine der Bänke, nehmen das Programm für die Zeremonie in die Hand und sehen, dass drei Redner etwas zum Verstorbenen – über Sie – sagen werden. Der Erste ist jemand aus Ihrer Familie. Ihr Partner, eines Ihrer Kinder, eine Tante, ein Onkel, Ihr Vater oder Ihre Mutter, Opa, Oma, vielleicht eines Ihrer Geschwister. Die zweite Person ist ein guter Freund von Ihnen. Jemand, der Sie sehr gut kennt. Der oder die Dritte ist jemand aus Ihrer Berufswelt, der Sie an vielen Tagen länger gesehen hat, als die zwei anderen Personen. Was würden Sie gerne von diesen drei Personen hören? Was für eine Person beschreiben die drei Redner? Von welchen Eigenschaften und beeindruckenden Erlebnissen berichten sie? c) Der eigene Nachruf Wenn es Ihnen leichter fällt, bei sich zu bleiben und nicht aus der Perspektive anderer Personen zu schreiben, überlegen Sie sich, welche letzten Worte Sie zu Ihrem Testament dazu legen würden. Vielleicht für einen Ihnen lieben Menschen, der Ihren Nachruf vorlesen kann. Schreiben Sie, worauf Sie stolz sind (auch über Dinge, die Ihnen noch nicht passiert sind, die Sie noch nicht geschafft haben, die aber zu Ihrem Ableben Realität sein werden). Eigene Erfahrungen mit dieser Übung: Für mich war alleine der Anfang der Übung ein Augenöffner. Mir schossen Gedanken durch den Kopf wie „Wer kann überhaupt gute Reden halten?“ und „Von wem möchte ich eigentlich gelobt werden?“, bevor ich auf den Grund des Schreibens kam: Was möchte ich für ein Vater, Ehemann, für ein Freund oder Sohn sein? Was für eine Art Kollege? Welche Eigenschaften sind mir so wichtig, als dass sie in einer Grabrede oder einem Nachruf gesagt werden sollen? Für welche Geschichten sollen mich die anderen in Erinnerung behalten? Und nicht zuletzt: was möchte ich getan haben, dass den Menschen um mich herum geholfen hat? Wenn Sie diese Visualisierungsübung in Verbindung mit dem Aufschreiben ernsthaft durchgeführt haben, haben Sie wahrscheinlich Zugang zu Ihren fundamentalen Werten und Wünschen gefunden, was ein mächtiges und bewegendes Erlebnis sein kann. Eine schöne Übung für einen ruhigen Sonntagmorgen…

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