8. Klinische Psychologie: Ätiologie II - Verhaltensgenetik

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Bachelor Klinische Psychologie Flashcards on 8. Klinische Psychologie: Ätiologie II - Verhaltensgenetik , created by arne.doebler on 25/01/2016.
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Question Answer
Verhaltensgenetik = wissenschaftliche Disziplin, die sich mit intrafamiliären Häufungen von Störungen und Verhaltensdispositionen beschäftigt bedient sich genetisch-epidemiologischer und humangenetischer Methoden
Verhaltensgenetik: Fragestellungen 1. für welche psychischen Störungen lassen sich familiäre Häufungen identifizieren (+ Ausmaß)? 2. Welche Ursachenbedingungen (genetische-/Umweltfaktoren) sind, in welchem Verhältnis dafür verantwortlich? 3. liegen psychischen Störungen veränderte Genstrukturen zugrunde, die von Eltern auf ihre Kinder übertragen und in kritischen Expressionsphasen manifest werden?
Methodik von Familienstudien 1. repräsentative und hinreichend große Stichprobe (Indexpatienten + ihre Angehörigen = ihre Kinder oder Enkelkinder + ihre Eltern + Geschwister + Großeltern) 2. umfassende psychopathologische Untersuchung (inklusive subklinischer/unterschwelliger Ausprägungen psychischer störungen) 3. prospektiv-longitudinale Untersuchung der Kinder (ob bzw. wann Störung eintritt) 4. Berücksichtigung familiärer Sozialisationseinflüsse (Familienklima, Erziehungsstil etc.) 5. Heranziehung aller verfügbaren Datenquellen (Informationen auch von anderen über andere, best estimate) 6. Beachtung der relevanten Zeiten für Erstmanifestation und Charakter der Störung (episodisch vs. chronisch)
Familäre Faktoren ("anderer Art") 1. elterliche Psychopathologie: => M-CIDI / DSM-IV liefert direkte dagnostische und familiengeschichtliche Informationen 2. elterlicher Erziehungsstil: => Fragebogen zum erinnerten Erziehungsverhalten (FEE): drei Dimensionen: (1) Überbehütung, (2) Ablenung, (3) emotionale Wärme 3. Funktionsweise der Familie => McMaster Family Assessment Device (FAD) sechs Dimensionen: (1) Problemlösung, (2) Kommunikation, (3) Rollen, (4) affektive Empfindlichkeit, (5) affektive Einbindung, (6) Verhaltenskontrolle + generelle Funktionsweise
Zusätzliche Vulnerabilität und Risiko-Variablen: Elterliche Erziehungsstile und Verhaltenshemmung in der Kindheit (BI) BI = behavioral inhibition : definiert als Tendenz der Kinder, auf unvertraute Ereignisse permanent mit Zurückhaltung, Rückzug und Schüchternheit zu reagieren hoher BI: Kinder entwicklen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Angststörung (Kagan et al. 1988, Hayward et al. 1999) Elterliche Erziehungsstile: (z.B. Überbehütung) sind zusätzlicher Faktor für Erhöhung der Wahscheinlichkeit für Ausprägung von Sozialer Phobie bei Kindern (Lieb et al., 1999)
Sind familiäre Häufungen psychischer Störungen primär genetisch bedingt? Wie groß ist der genetische Anteil? Beispiele aktueller Forschungsergebnisse Beispiele aktueller Forschungsergebnisse: 1. spezifische Polymorphismen auf Chromosom 15 mit erhöhter familiärer Anfälligkeit für diverse Angststörungen und zugleich für Gelenkschwäche verbunden => Entdeckung völlig neuer Krankheitsentitäten! 2. Gen, das für Herstellung von Dopamin-Rezeptoren relevant => hängt mit Eigenschaft "sensation seeking" (Risikosuche, Impulsivität, Exploration, cholerisches Temperament) zusammen 3. Rolle des CRH-Hormons auf Angstentstehung durch Tierexperimentele Befunde belegt => Entwicklung neuartiger Anxiolytika (CRH-R1-Hemmer), ebenso für Depressionen ... Erkenntnisse der Verhaltensgenetik führen zu neuen Interventionsansätzen in Prävention und Therapie verschiedenster Erkrankungen
Jenseits deterministischer Theorien: (3) Interaktionsarten zwischen Genen und Verhalten 1. Passive Interaktion: genetische Faktoren der Eltern (z.B. Übergewicht) erzeugen Umweltbedingungen (z.B. vermehrtes Essen, mehr und fettreichere Nahrungsmittel), die passiv vom Kind aufgenommen werden 2. Evokative Interaktion: genetisch bestimmte Eigenschaften (z.B. Adipositas oder äußerliche Missbildung) rufen spezifische Reaktionen der Umwelt hervor (Ablehnung, Stigmatisierung), die ihrerseits Problemverhalten ("Frustessen") auslösen können 3. Aktive Interaktion: Person sucht oder schafft sich Umweltbedingungen/Situationen, die zu seinen genetisch bedingten Eigenschaften und Verhaltensmustern passen (z.B. Lichtempfindlichkeit => Tätigkeit in Innenräumen) ... Genetische und epigenetische Einflüsse (Umwelt) auf das Verhalten lassen sich in der Regel nur schwer voneinander trennen => vielfältige Wechselbeziehungen
(4) Forschungsmethoden der Verhaltensgenetik 1. Familienstudien: Vergleich von Blutsverwandten: Kinder erhalten von ihren Eltern jeweils 50% der Gene, Nichten und Neffen teilen 25% der genetischen Veranlagung eines Onkels/einer Tante 2. Adoptionsstudien: Vergleich der Störungsprävalenz wegadoptierter Kinder mit: a) leiblichen Eltern und Geschwistern b) ihren Stiefeltern und Geschwistern 3. Zwillingsstudien: Vergleich Monozygote (= 100% gen. identisch) mit Dizygoten (= 50% gen. identisch) oder Geschwistern 4. Tierstudien: systematische Züchtungsexperimente mit Kandidaten-Genen (z.B. Toleranz, Sensitivierung und craving bei Substanzstörungen)
Wie wird Vererblichkeit beim Menschen untersucht? Vererblichkeit beim Menschen untersuchen: 1. sollte eine Disposition vererbt werden, müsste eine Korrelation zwischen "Anzahl der gemeinsamen Gene" und "Häufigkeit der Störungen bei Verwandten" vorliegen 2. Zwillingsstudien: Abgleich der Übereinstimmung (Konkordanz) zwischen monozygoten Zwillingen und dizygoten bzw. anderen Verwandten 3. Konkordanzraten = Übereinstimmungsquote zwischen Anteil gemeinsamer genetischer Ausstatung und Aufretenshäufigkeit psychischer Störungen Beispiel: Kendler, 1992 n = 2.163 Frauen: Konkordanzrate: MZ: 24,4%, DZ: 15,3% => Erblichkeits-Index 30% 4. Nachteile: teuer, schwierig, Effekt meist gemeinsamer Erziehung nicht gut trennbar, Selektions- und Clustereffekte
Familienstudien (Studiendesigns ohne genetische Marker) 1. Abschätzung von Wiederholungsrisiken 2. Abschätzung der Relevanz familärer im Vergleich zu nicht-familiären Ursachenfaktoren 3. nosologische Differenzierung zwischen Störungen 4. Auffinden co-segregierender Merkmale und Definition von Vulnerabilitäsdimensionen
Hig-Risk-Studien (Studiendesigns ohne genetische Marker) Entdeckung prämorbider [Krankheitserscheinungen, die sich bereits vor dem eigentlichen Ausbruch einer Krankheit zeigen] Normabweichungen familiärer Störungen
Zwillingsstudien (Studiendesigns ohne genetische Marker) 1. Differenzierung und Quantifizierung des genetischen Anteils an den familären Faktoren 2. Abschätzung des Einflusses von Gen-Umgebungs-Interaktion 3. Abschätzung der Relevanz spezifischer Umgebungsfaktoren
Adoptionsstudien (Studiendesigns ohne genetische Marker) Abschätzung des umgebungsbedingten Anteils an familiären Faktoren
Segregationsanalysen (Studiendesigns ohne genetische Marker) Feststellung des familiären bzw. genetischen Übertragungsmodus
Assoziationsuntersuchungen (Studiendesigns mit genetischen Marker) 1. Assoziation zwischen bestimmten Genvarianten (Allele) und Erkrankungen 2. Entdeckung von Kopplungsgleichgwicht und Suszeptibilitätsgenen
Kopplungsuntersuchungen 1. Co-Segregation zwischen genetischer Variation an einem Genort und Erkrankung 2. Lokalisiation von Genorten 3. Sukzessive Einengung von Genorten
Interpretationsprobleme: Zwillingsstudien 1. Differenzierung des Einflusses von Genen und Umweltfaktoren oft nicht möglich, da oft gemeinsam aufgewachsen (same nurture) => durch Untergruppen getrennt Aufgewachsener bzw. durch Adoptionsstudien aufklärbar 2. Quantifizierung und Interpretation oft schwierig, da sich verschiedene Störungen zu unterschiedlichen Lebenszeiten (Reifung, Entwicklung) erstmalig manifestieren und unterschiedliche Verläufe haben => z.B. müsste man bei Depressionen bis zum 45. Lebensjahr der Nachkommen warten, bei Schizophrenie bei Männern bis 18J. bei Frauen bis 28J., bei Phobien hingegen geht es früher (bis 16J.)
Bedeutung für die Vererbbarkeit psychischer Störungen 1. das menschliches Gehirn ist das komplexeste bekannte System im Universum 2. Psychische Störungen stellen komplexe Phänomene dar, die aus kompliziertem Wechselspiel unterschiedlichster Funktions- und Struktureinheiten sowie Person-Umwelt-Interaktionen resultieren 3. angesichts relativ kleiner Zahl von Genen ist es also extrem unwahrscheinlich, dass es einzelne Gene für psychische Störungen verantwortlich sein können 4. überwiegende Mehrzahl von verhaltensrelevanten Merkmalen polygenetisch bedingt => erschwert Identifikation genetischer Ursachenzusammenhängen
Proteom Nicht einzelne Gene, sondern das menschliche Proteom sind bestimmend! Proteom = Gesamtheit aller im Körper hergestellter Proteine: 1. steuern sämtliche Stoffwechselprozesse und molekularbiologische Vorgänge (Verdauung, Hormonproduktion, elektrische Reizübertragung von Nervenzellen) => im Gegensatz zu Genen ständiger Veränderung unterworfen 2. Gehirn = einzigartig vielfältiges und plastisches Organ (jede Hirnstruktur eigene charakteristische Architektur des Nervennetzwerks und der Funktionsweise der Nervenzellen) 3. Im Gehirn > 10.000 unterschiedliche Proteine ("molekulare Bausteine der Gedanken") in jeder einzelnen Hirnzelle aktiv => alle in wechselseitiger Einwirkung und Rückkopplung => permanente hochkommplexe Dynamik 4. Erlebnisse, Gefühle, Erinnerungen und Ideen wirken auf das Hirn ein => durch Veränderung der Anzahl und Wirkweise der Proteine 5. Nach der Entzifferung des Human-Genoms => Erfassung des Proteoms als nächstes internationales Megaprojekt ("HUPO")
haben Kinder von Eltern mit psychischen Störungen erhöhtes Erkrankungsrisiko?: (2) Probleme 1. Assoziation Störungsspezifisch oder durch andere Störungen vermittelt? 2. Zusammenhang könnte durch andere Faktoren vermittelt sein
Passive Interaktion (zwischen Genen und Verhalten) genetische Faktoren der Eltern (z.B. Übergewicht) erzeugen Umweltbedingungen (z.B. vermehrtes Essen, mehr und fettreichere Nahrungsmittel), die passiv vom Kind aufgenommen werden
Evokative Interaktion (zwischen Genen und Verhalten) genetisch bestimmte Eigenschaften (z.B. Adipositas oder äußerliche Missbildung) rufen spezifische Reaktionen der Umwelt hervor (Ablehnung, Stigmatisierung), die ihrerseits Problemverhalten ("Frustessen") auslösen können
Aktive Interaktion (zwischen Genen und Verhalten) Person sucht oder schafft sich Umweltbedingungen/Situationen, die zu seinen genetisch bedingten Eigenschaften und Verhaltensmustern passen (z.B. Lichtempfindlichkeit => Tätigkeit in Innenräumen)
Tierexperimentelle "Knock Out"-Studien Feststellung, welche Gene welche Funktion besitzen => gezielte "Ausschaltung" (Deaktivierung, Zerstörung, Wegzüchtung) bestimmter Gene => Untersuchungen der Konsequenzen für das Verhalten Problem: Flexibilität und Neuroplastizität des Gehirns, wodurch Funktionen kompensiert werden können; Ausschaltung kann Überlebensfähigkeit beeinträchtigen
Studiendesigns ohne genetische Marker 1. Familienstudien 2. High-Risk-Studien 3. Zwillingsstudien 4. Adoptionsstudien 5. Segregationsanalysen
Studiendesigns mit genetischen Markern 1. Assoziationsuntersuchungen 2 Kopplungsuntersuchungen
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