4.3 Ordnung des Feldes 2: ein Exkurs in die 'lange ergangenheit' der Interkulturellen Bildung

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Studium Bildungswissenschaften Modul 1B (Studienbrief 4: Interkulturelle Bildung) Flashcards on 4.3 Ordnung des Feldes 2: ein Exkurs in die 'lange ergangenheit' der Interkulturellen Bildung, created by Yvonne Heitland on 22/07/2017.
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"Die 'Vor'-Geschichte der Interkulturellen Bildung als Fachrichtung... ...ist noch nicht systematisch erforscht worden."
Migration ist kein neues Phänomen... auch vor 1945 lebten 'Menschen fremder Herkunft' mit ihren Familien in Deutschland. Die Kinder besuchten private oder öffentliche Schulen. In vielen Texten wird so argumentiert, "als sei sprachliche, ethnische und kulturelle 'Heterogenität allein eine Folge von Einwanderung." Es wird aus dem Blick verloren, dass die 'deutsche Bevölkerung' zu keinem Zeitpunkt sprachlich-kulturell homogen war.
In schulpolitischen Vorschriften und bildungsrechtlichen Texten im 19. und 20. Jahrhundert wird erkennbar, ... ..."dass die für alle Kinder des 'eigenen' Landes geschaffene Schule stets mit dem Problem konfrontiert war, 'unterschiedlich verschiedene' Kinder zu unterrichten: Kinder verschiedenen Alters, Jungen und Mädchen, Arme und Reiche, Kinder aus ländlichen und städtischen Milieus, Kinder unterschiedlicher Relgionszugehörigkeit bzw. Weltanschauung, ... Kinder mit unterschiedlichen Familiensprachen, ..."
Strategien, wie man die unterschiedlichen Kinder zu 'gleichen' Schülern machen wollte: Teilung in ein niederes und höheres Schulwesen (bis zur Verabschiedung des Reichsgrundschulgesetz 1920); geschlechtsspezifische Beschulung bzw. über längere Zeit der Ausschluss von Mädchen von bestimmten Bildungsgängen; Teilung in Jahrgangsklassen; Trennung der Schulen nach Konfession
Homogenisierung im Bereich der Schule sprachliche, nationale, ethnische und kulturelle Heterogenität war von besonderem Interesse. Die Maßnahmen zielten auf die Herstellung homogener Gruppen; Mittel zur Erreichung dieses Ziels war die Nicht-Einbeziehung von Kindern fremder Staatsangehörgkeit in die allgemeine Schulpflicht und die Verweisung in private Bildungseinrichtungen
Vier Traditionslinien wurden in den 60er Jahren bewusst fortgesetzt: Die vier Differenzlinien sind miteinander verschränkt; Staatsangehörigkeit; Ethnizität; Sprache; Kultur
Differenzlinie Staatsangehörigkeit Schaffung eines staatlichen Bildungssystem ging mit dem Ausschluss von Nichtstaatangehörigen einher; bis nach dem 1. Weltkrieg galten teilweise auch Angehörige anderer deutscher Bundesländer als Ausländer (z.B. Preußen), auch ihnen wurde der Zugang zu öffentlichen Schulen verwehrt
Wanderarbeiterkinder Es war verboten Wanderarbeiter mit schulpflichtigen Kindern ins Land zu lassen, dennoch hat eine nicht geringe Zahl on Kindern als Saisonarbeiter gearbeitet, wenige dieser Kinder haben auch Schulen besucht; Kinderarbeit war ab Anfang des 20. JH verboten; Die Geburtsurkunden der Kinder (v.a. italienische) wurde gefälscht, um den Kinderschutzvorschriften zu entgehen
Kindermärkte in Oberschwaben ...Ende des 19. Jahrhunderts; wandernde Kinder wurden für die Arbeit in der Landwirtschaft 'angeboten'; "Die Kinder standen auf einem Marktplatz und wurden von den Bauern begutachtet nach ihrem Äußerem, ..."; Der Markt blieb bis in die späten 1920er Jahre erhalten (trotz Schulpflich und Kinderarbeitsverbot)
Nach dem ersten Weltkrieg... (Bezug: Differenzlinie Staatsangehörigkeit) ...wurde die Gleichstellung von Kindern aus den jeweils anderen Staaten des Deutschen Reichs per Erlass und später durch das Gesetz geregelt
"Die wenigen Juristen, die in Preußen in der Frage der Schulpflicht gegen die herrschende Meinung argumentierten... ..plädierten für eine für eine Regelung...: Kinder von Reichsausländern im schulpflichtigen Alter, die sich dauern in Preußen aufhielten, sollten wie staatsangehörige Schülerinnen und Schüler in die Schule aufgenommen werden, sofern sie "der deutschen Sprache so weit mächtig [seien], dass sie dem Unterricht mit Nutzen folgen" könnten, ..."
Argumente von den Gegner der Einbeziehung ausländischer Kinder in die allgemeine Schulpflicht (in Preußen) sie betonen, dass es nicht ratsam sei, "das deutsche Volk zu verpflichten "auf seine Kosten und ohne Rücksicht auf den späteren Wettbewerb und ohne Rücksicht auf Gegenseitigkeit [...] den Ausländer eine Bildung und Fortbildung zuteil werden zu lassen, die das 'Kulturniveau der Ausländer ... dem allgemeinen deutschen Kulturniveau angleicht'""
die vollständige Einbeziehung der ausländischen Kinder in die allgemeine Schulpflicht... ...erfolgte erst nach dem zweiten Weltkrieg zunächst in Form per Erlass, ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre per Gesetz
Differenzlinie Ethnizität Im Deutschen Reich (v.a. in Preußen) gab es verschiedene Minderheitsgruppen, die als sprachlich und ethnisch fremd halten und sich auch nach ihrer Selbstdefinition nicht, oder nicht ausschließlich, als Deutsche verstanden.
Die als "fremdsprachige Volksteile" bezeichneten Personengruppen... "...waren 'Inländer', das heißt Staatbürger des Staates, in dem sie lebten, und - nach Inkrafttreten des Reichs- und Staatsbürgergesetzes von 1913 - zugleich deutsche Reichsbürger."
Nach dem Ersten Weltkrieg... (Bezug: Differenzlinie Ethnizität) ...wurde der Schutz der sprachlich-kulturellen innerstaatlichen Minderheiten in verschiedenen internationalen Verträgen erstmals eine eine wichtige und internationale Aufgabe definiert.
Interesse des Minderheitenschutzes... ....der deutschen Regierung halt nicht der Durchsetzung eines aktiven Minderheitenschutzes im Innern des Reicher, sondern vorrangig waren außenpolitische Erwägungen. (Sicherung des Einflusses auf die deutschen Minderheiten im Ausland); Zugeständnisse an die innerstaatlichen Minderheiten blieben auf das Notwendigste beschränkt
Minderheitenpolitik ab 1933 ..schien auf den ersten Blick 'minderheitenfreundlich'; Minderheiten wurden aus dem 'Deutschtum' ausgeschlossen und ihre Sprache und Kultur wurde für minderwertig erklärt; Juden wurden als rassische Minderheit definiert. Juden waren in der 'deutschen Schule' unerwünscht. Sie wurden gezwungen eigene Schulen zu gründen, doch bis 1942 wurden auch jüdische Schulen verboten.
Minderheitenschutz konnte auch nach dem Zweiten Weltkrieg... ...nicht im Grundgesetz verankert werden und ist weiterhin Landessache.
Differenzlinie Sprache "Hinsichtlich der Sprache gingen bis in die 1960er Jahre alle Beteiligten wie selbstverständlich davon aus, dass nicht der Staat, sondern die Eltern dafür Sorge zu tragen hatten, dass die Kinder über hinreichende Deutschkenntnisse verfügen, um dem Unterricht folgen zu können."
Das Beherrschen der deutschen Sprache... ...wurde als Voraussetzung für den Besuch der (Volks-)Schule in Deutschland durchgesetzt; 'Anderssprachigkeit' wurde somit zum Ausschlusskriterium
Argumente pro und contra anderer Unterrichtssprachen und Zweitsprachen "Die Befürworter der Berücksichtigung der Minderheitssprachen betonten, dass die Muttersprache (Familiensprache) für die psychische, emotionale und soziale Entwicklung unerlässlich sei."; "Die Gegner sahen hingegen die Gefahr des 'Zerrissenseins' zwischen zwei Sprachen, Kulturen und Heimaten." Sie setzten 'Muttersprache' nicht mit der 'Familiensprache' gleich, sondern mit der Staatssprache ('Muttersprache des Vaterlandes')
Zweisprachigkeit... ...sollte nicht gefördert werden. "Die Muttersprache gehört zur geistigen Heimat des Menschen. ...künstliche Zweisprachigkeit durch Dienstboten und Hauslehrer im Kindesalter zu erzeugen, ist ein Fehler." (Blocher 1909)
Aufgaben der Lehrer nach Lichte (1901) "..., wir aber haben in unseren Schulen die Aufgabe, mit viel höherem Nachdruck diese Liebe [Vaterlands-/ Heimatliebe], dieses Gefühl zu pflegen und mit doppeltem Eifer die Herzen aller Kinder zu erwärmen und zu begeistern für unser herrliches Vaterland und seinen erhabenen Fürsten."
Zwei- und Mehrsprachigkeit heute... ...Heute wird "[d]as Erlernen anderer Sprachen ... für notwendig gehalten und frühes Fremdsprachenlernen wird sowohl auf europäischer wie auf nationaler Ebene politisch gefordert und gefördert."
Differenzlinie Kultur "In den niederen Schulen stand das 'Eigene' im Mittelpunkt. In den höheren Schulen geschah dies auch durch die Beschäftigung mit anderen Ländern, Kulturen und Sprachen. Ziel dieser Beschäftigung mit dem Fremden war - ... - auch hier die Stärkung des 'Eigenen'."
Die Kultur eines Volkes... (Gronau 1929) ...wird in den sprachlichen Denkmälern ausgedrückt, sie kann "in ihrem Wesen auch nur in der fremden Sprachform erfaßt werden, mag dabei auch das letzte und stärkste in der fremden Eigenart dem Verständnis und Nachempfinden unerreichbar bleiben."
"Kultur wurde... ...mit dem 'Wesen des Volkes' gleichgesetzt, als etwas Geschlossenes und 'Gegebenes' aufgefasst."
"Erziehung zum deutschen Volksbewußtsein" (Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen 1923) "Alle Schulen haben die Pflicht, ihre Aufgabe als deutsche Schulen zu erfüllen, indem sie in geeigneter Weise an der Vertiefung der Deutschbildung arbeiten: Die Jugend für die deutsche Sprache, deutsches Volkstum und deutsche Geistesgröße zu erwärmen, ist ernstere Aufgabe als jemals zuvor."
Bestimmung des ‚Eigenen‘ schafft das ‚Fremde‘ Erst wenn eine bestimmte politisch-soziale Konstellation als definiertes ‚Eigenes‘ zum Maßstab erhoben wird, wird anderes ‚fremd‘ gemacht; Z.B. Sprache: Erst dadurch, dass eine Sprachvariante des Deutschen zum Maßstab für die ‚richtige‘ Sprache erhoben wurde, wurden alle anderen Varianten der ansässigen Sprachen fremd gemacht
Pädagogik des Grenz- und Auslanddeutschtums …war eine Reaktion auf die Neuschneidung der Grenzen infolge des Ersten Weltkriegs; Es bildeten sich an einigen Universitäten auslanddeutsche Schwerpunkte in Lehre und Forschung heraus mit dem Ziel, über die Situation der deutschen Minderheiten im Ausland aufzuklären
Kolonialpädagogik …ist eine Art Vorläufer der Schwerpunktbildung, die unter der Bezeichnung ‚Dritte-Welt-Pädagogik‘ bzw. ‚Bildungsforschung mit der Dritten Welt‘ firmiert.; …hat sich als Handlungsfeld für den Export des ‚Eigenen‘ in Form von Erziehungslehren, Institutionen und pädagogischem Personal zum Zwecke der Überformung und Beherrschung des ‚Fremden‘ herausgebildet.
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